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Die Chemilumineszenz von 1,2-Dioxetanen

Alle Stoffe mit einer Sauerstoff-Sauerstoff-Bindung werden Peroxide genannt. Sie leiten sich formal vom Wasserstoffperoxyd (HOOH) ab. Es gibt viele verschiedene offenkettige und cyclische Peroxide, mit zum Teil beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Cyclische Peroxide die einen aus vier Atomen bestehenden Ring bilden, werden als 1,2-Dioxetane bezeichnet. Es gibt verschiedene Methoden solche Kleinringheterocyclen zu erzeugen.
generelle Synthesen von Dioxetanen
Die erste Methode ist die klassische Methode nach Kopecky (1). Ein Alken wird durch eine Additionsreaktion zum Haloperoxid umgesetzt. Dieses lässt sich in das Dioxetan überführen, wenn man mit einer Base HBr abspaltet. Diese Methode funktioniert ausgezeichnet bei allen Alkenen mit kleinen, sterisch wenig anspruchsvollen Substituenden R, oder wenn einer oder zwei der Substituenden Wasserstoff sind. Bei sterisch anspruchsvollen Substituenden verwendet man besser Methode zwei, bei der das Alken mit photochemisch erzeugten Singulett Sauerstoff umgesetzt wird (Arbeitsvorschrift). In der Zwischenzeit gibt es natürlich auch einen technischen Fortschritt und vor Allem mit den LED's auch neue Lichtquellen. Mit ein bischen Bastelei lassen sich so wunderbare kleine Bestrahlungsapparaturen bauen aber auch richtige proffessionelle Bestrahlungsapparaturen konstruieren (12). An den Arbeitsvorschriften ändert sich nichts.
kleiner Photoreaktor mit LED belichtet

Der Photoreaktor besteht aus einem doppelwandigen Glasgefäß wobei die äußere Schicht evakuiert ist. Man kann mit einem kleinen Kühlfinger kühlen und über ein Gaseinleitungsrohr Sauerstoff einleiten. Die LED müssen an die Absorption des Sensibilisators angepasst sein. Die grünen LED funktionieren mit Tetraphenylporphyrin, meinem bevorzugten Sensibilisator.
Im Gegensatz zu anderen cyclischen oder offenkettigen Peroxyden sind die 1,2-Dioxetane nicht stabil, das heisst sie zerfallen mehr oder weniger schnell schon bei Raumtemperatur. Diese Reaktion ist eine Reaktion 1. Ordnung und es gibt eine Halbwertzeit, die wiederum von den Substituenden R abhängt. Obwohl inzwischen hunderte von Dioxetanen hergestellt worden sind, gibt es noch keine Einigkeit darüber, welcher Effekt nun eigentlich für die Stabilität bzw. Instabilität mancher Dioxetane verantwortlich ist (3). Die Erfahrung zeigt, das Adamantyl- und Isopropylreste Dioxetane stabilisieren können. Das stabilste bisher hergestellte Dioxetan ist das Adamantylylidenadamantan-1,2-dioxetan, mit einer Halbwertzeit von mehreren Jahren bei Raumtemperatur. Lässt man in einem abgedunkelten Raum einige Kristalle dieses Dioxetans auf eine etwa 200 °C heisse Heizplatte fallen, so kann man ein relativ helles Aufblitzen beobachten und den Geruch von Adamantan-2-on wahrnehmen. Dieses Experiment zeigt, dass beim Zerfall von 1,2-Dioxetanen elektronisch angeregte Produkte erzeugt werden, die unter Aussendung von Licht in den Grundzustand übergehen.
generelle Synthesen von Dioxetanen
Diese angeregten Zustände werden gewöhnlich als triplett-Zustände gebildet, das emittierte Licht entspricht demzufolge dem Phosphoreszenzlicht. Durch Sensibilisatoren (Sens) wie z. B. Diphenylanthracen lässt sich dieses Licht so verstärken, dass es auch in Lösung mit blossem Auge sichtbar wird. Der thermische Zerfall von 1,2-Dioxetanen bildet eine interessante Möglichkeit angeregte Zustände zu erzeugen (4), die sonst nur photochemisch erhalten werden können (Photochemie ohne Licht). Misst man die abgegebene Lichtmenge in Abhängigkeit von der Zeit, kann man die Geschwindigkeitskonstante des thermischen Zerfalls und damit die Halbwertzeit des Dioxetanes bestimmen. Messungen bei verschiedenen Temperaturen erlauben auch die Bestimmung der Aktivierungsparameter. Eine alternative Methode zur Bestimmung thermodynamischer und kinetischer Parameter ist die Differential-Thermoanalyse.
Bei dieser Methode werden die Dioxetane oder Lösungen der Dioxetane in geschlossenen Gefäßen erhitzt und der Wärmefluss gemessen. Es wird dabei ein bestimmtes Temperaturintervall mit verschiedenen Aufheizraten und unterschiedlichen Dioxetankonzentrationen erfasst. Auch hier können aus den erhaltenen Messwerten die thermodynamischen und kinetischen Parameter der Reaktion ermittelt werden. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass eine größere Datenmenge erhalten wird, was wiederum zu einer höheren Genauigkeit der ermittelten thermodynamischen Parameter führt(5).

Die thermische Zersetzung von Dioxetanen lässt sich auch analytisch nutzen. Hierbei werden 1,2-Dioxetane in Nanopartikel gepackt und über die Hülle des Nanopartkels mit Biomolekülen verbunden, die dann üben eine thermisch induzierte Chemilumineszenz identifiziert werden können (6). Viel bedeutender ist allerdings, dass 1,2- Dioxetane nicht nur thermisch zersetzt werden können, sondern der Zerfall auch durch eine chemische Reaktion induziert werden kann. Dies ist ein Beispiel für den CIEEL (Chemically Initiated Electron Exchange Luminescence) Mechanismus der Chemilumineszenz [7]. Interessanterweise werden die entstehenden Carbonylverbindungen bei dieser Art der Zersetzung im angeregten Singulett-Zustand gebildet. Hat eines der Bruchstücke eine hohe Fluoreszenzquantenausbeute, so wird bei dieser Reaktion richtig viel Licht erzeugt. Ein typisches Beispiel ist das AMPPD. Wird durch das Enzym Alkalische Phosphatase der Phosphatrest abgespalten, so entsteht das entsprechende Phenolat-Anion. Ein Elektronentransfer vom Phenolat zum Dioxetan induziert dessen Zerfall in Adamantanon und dem angeregten Anion des 3-Hydroxybenzoesäuremethylesters. Beim Übergang des angeregten Zustandes in den Grundzustand wird schließlich ein Photon emittiert.
mechanismus der enzymkatalysierten Zersetzung von AMPPD
Mit diesem chemisch induzierten Zerfall von 1,2-Dioxetanen hat man die ideale Nachweisreaktion gefunden. So lange das Enzym arbeitet und ausreichend AMPPD vorhanden ist, wird ein konstanter Lichtstrom emittiert, wobei die Lichtintensität proportional zur Enzymkonzentration ist. Da sich heute selbst schwächste Lichtemissionen sicher und reproduzierbar messen lassen, können bereits kleine Gruppen von Enzymmolekülen nachgewiesen werden. Dies hat eine enorme Bedeutung in der klinischen Diagnostik und in der biochemischen Analytik (8, 9), wo es darum geht geringste Spuren chemischer Verbindungen aufzuspüren. Die Alkalische Phosphatase wird dabei über einen Spacer an einen Antikörper gekoppelt. Der Antikörper fischt selbst aus dem kompliziertesten Stoffgemisch die Substanz heraus gegen die er gerichtet ist und markiert sie mit der Alkalischen Phosphatase. Man braucht den Alkalische Phosphatase/Antikörper/Substanz - Komplex nur noch abzutrennen und kann durch Zugabe von AMPPD und Messung des Lichtes die Konzentration bestimmen.
chemisch induzierte Chemilumineszenz eines Dioxetan-Derivates

Das Bild zeigt die chemisch induzierte Lumineszenz eines 1,2-Dioxetanes. Das Licht ist hell genug zum Lesen und hält, mit nahezu gleichbleibender Intensität, etwa 30 min an.
Man muss sich allerdings nicht mal die Mühe machen 1,2-Dioxetane mühsam herzustellen und zu isolieren um die Chemilumineszenz zu sehen. Bei geeigneter Wahl der Ausgangsolefine kann man 1,2-Dioxetane in situ generieren und mit blossem Auge das Licht das beim Zerfall frei wird sehen. Der Trick besteht darin, ein Dioxetan zu finden, dass sich schneller bildet als es wieder zerfällt und das gleichzeitig eine helle Chemilumineszenz zeigt. Insbesondere der zweite Punkt ist problematisch da eine helle Chemilumineszenz nur bei einem Zerfall nach dem CIEEL - Mechanismus zu erwarten ist. Eine mögliche Lösung stellen Dioxetane auf der Basis von Acridinen dar. Das freie Elektronenpaar am Stickstoff sorgt für einen intramolekularen Elektronentransfer und damit zu einer hellen CIEEL - Emission. Der eigentliche Emitter ist das bei der Reaktion entstehende Acridon.
in situ hergestelltes dioxetan und dessen Zerfall lichtinduzierte Chemilumineszenz eines Acridins

Das Olefin wird zusammen mit Methylenblau in Acetonitril gelöst (links) und mit einem roten Laser bestrahhlt (mitte). Nach abschalten des Lasers sieht man die Emission des zerfallenden Dioxetans (rechts).
Der hier gezeigte Prozess ist schon einzigartig. Wir haben ihn "uphill energy conversion" genannt (10). Weil rotes Licht in blaues Licht umgewandelt wird. Die dafür notwendige Energie stammt aus einer chemischen Reaktion. So einen Prozess kann man aber auch in der Analytik anwenden. Die Reaktion startet wenn ein geeignetes Molekül mit Singulett Sauerstoff reagiert. Die Lebensdauer von Singulett Sauerstoff beträgt in wässrigen Medien etwa 4 µs und damit ist die mittlere freie Wegelänge begrenzt. Ob Licht erzeugt wird, hängt demzufolge davon ab, ob sich das Olefin innerhalb der Diffussionsreichweite des Singulett Sauerstoffes befindet oder nicht. Die Methode heisst deshalb LOCLTM (local oxygen channeling luminescence) (11).

Ein Nanopartikel enthält den Sensitizer der bei Bestrahlung Singulett- Sauerstoff generiert. Der andere Nanopartikel enthält ein geeignetes Olefin, welches mit Singulett-Sauerstoff zum Dioxetan reagiert, dass wiederum beim Zerfall Licht emittiert. Befinden sich beide in relativer Nähe gibt es eine Reaktion und Licht wird emmittiert. Sind sie zu weit auseinander passiert nichts.

Literatur

  1. K. R. Kopecky, C. Mumford, Can. J. Chem. 47 (1969) 709-711
  2. G. B. Schuster, N. J. Turro, H.-C. Steinmetzer, A. P. Schaap, G. Faler, W. Adam, J. C. Liu, J. Am. Chem Soc. 97 (1975) 7110-7118; W. Adam, L. A. Encarnacion, K. Zinner, Chem ber. 116(1983) 839-846
  3. S. Wilsey, F. Bernardi, M. A. Robb, S. Murphy, W. Adam, J. Phys. Chem. A, 103 (1999) 1569-1677
  4. W. Adam, Thermische Erzeugung elektronisch angeregter Moleküle, Chemie in unserer Zeit 14 (1980) 45-55; W. Adam, G. Cilento, Viergliedrige cyclische Peroxyde als Äquivalente angeregter Zustäde: Eine neue Dimension der Bioorganischen Chemie, Angew. Chem. 95 (1983) 525-538
  5. H.-J. Flammersheim, D. Weiß and J. R. Opfermann, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry, Vol. 77 (2004) 883-892
  6. A. Roda, M. Di Fusco, A. Quintavalla, M. Guardigli, M. Mirasoli, Anal. Chem. 2012, 84, 9913-9919 M. Lombardo, C. Trombini,
  7. Felipe A. Augusto, Glalci A. de Souza, Sergio P. de Souza Junior, Muhammad Khalid and Wilhelm J. Baader, Photochemistry and Photobiology, 89 (2013) 1299-1317
  8. S. Albrecht, H. Brandl, W. Adam, Chemilumineszenz-Reaktionen, Chemie in unserer Zeit 24 (1990) 227-238
  9. S. Albrecht, H. Brandl, Th. Zimmermann, Chemilumineszenz, Hüthig Verlag, Heidelberg 1996
  10. Luiz Francisco Monteiro Leite Ciscato, Dieter Weiss, Rainer Beckert, Erick Leite Bastos, Fernando Heering Bartolonia and Wilhelm Josef Baader, New J. Chem., 2011, 35, 773-775
  11. E. F. Ullmann et. al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1994, 91, 5426-5430; Clin. Chem. 1996, 42, 1518-1526. S. Albrecht, H. Brandl, L.F.M.L. Ciscato, D. Weiss, Th. Zimmermann, Chem. Unserer Zeit, 2011, 45, 24 - 30
  12. Dirk Ziegenbalg, Günter Kreisel, Dieter Weiß and Dana Kralisch, Photochemical and Photobiological Sciences, 4 (2014), Advance Article, DOI: 10.1039/c3pp50302j