Glühwürmchen beobachten und erkennen
Insekten mit Biolumineszenz gibt es zum Glück nicht nur in
tropischen Ländern. Vor allem im Juni kann man auch in Deutschland
Leuchtkäfer beobachten. Dies ist oft nicht einfach, da die wachsende
Umweltverschmutzung durch Licht kaum noch halbwegs dunkle Ecken mit ungestörten
Beobachtungsmöglichkeiten bietet. In Deutschland werden die Leuchtkäfer
(Lampyridae) durch drei Arten repräsentiert. Das sind Lampyris
noctiluca (das eigentliche Glühwürmchen), Lamprohiza
splendidula (das Johanniswürmchen) und Phosphaenus hemipterus.
Bei allen drei Arten sind die weiblichen Tiere flugunfähig. Die Männchen
sind flugfähig und zeichnen sich durch ihren mit pigmentlosen
Fenstern versehenen Halsschild aus. Allerdings leuchten die Männchen
von Lampyris noctiluca nicht. Ein fliegender Leuchtkäfer ist
also mit einiger Sicherheit ein Lamprohiza splendidula Männchen. Die nicht leuchtenden Männchen von Lampyris Noctiluca bekommt
man nur zu Gesicht wenn man eine Falle aufstellt. Solche Fallen lassen sich aus einer grünen LED, einer kleinen Batterie und einer Kunststoffflasche herstellen.
Die Bauanleitung findet man in den Sachgeschichten der Sendung mit der Maus.
Das ist kein Witz, der Christoph hat einen sehenswerten Film gedreht und zeigt auch wie die Falle gebaut wird. Ein Bekannter von mir hat sie dann für seinen Sohn nachgebaut.
Sie hat tatsächlich funktioniert und wir haben bereits nach wenigen Minuten einen Leuchtkäfer gefangen.
Genauere Informationen zur Biologie der Glühwürmchen sowie Bestimmungshilfen findet man unter
http://www.gluehwuermchen.ch/lampyris.html
Aber auch in Deutschland beschäftigt man sich mit Glühwürmchen und bietet einen Startpunkt-Glühwürmchen an
über den man Informationen und Bestimmungshilfen erhalten kann.
Das Bild zeigt ein Lampyris noctiluca Weibchen, d. h. das eigentliche Glühwürmchen.
Hier haben wir ein Bild vom Lampohiza spledidula Weibchen, dem Johanniswürmchen
Lampyris noctiluca Weibchen hat seine Leuchtorgane im Hinterleib hinter durchsichtigen Fenstern und dreht seinen Körper so, dass sie immer gut zu sehen sind
Bei Lampohiza spledidula Weibchen sind die Leuchtorgane im Körper verteilt und scheinen durch den eher zarten und durchscheinenden
Aussenpanzer durch.
Da habe ich mit etwas Glück mal ein Pärchen Lamprohiza splendidula erwischt. Männchen und Weibchen unterscheinden sich deutlich voneinander
(Sexualdimorphismus)
Das ist Lamprohiza spledidula in der Orginalgröße. Beachte den Weberknecht in der oberen Ecke als Größenvergleich
(Galaxy S10e)
Hier handelt es sich um ein Weibchen von Lamprohiza splendidula photographiert mit einem Smartphon Galaxy S10e in Orlamünde.
Es wurde aus dem Orginalbildern herausgezoomt. Das finde ich wirklich erstaunlich wie leistungsfähig die Dinger geworden sind.
Die beiden Bilder mit dem Smartphone wurden mir freundlicherweise von einer Kollegin überlassen.
Die beiden Arten lassen sich durch die Anordnung der Leuchtorgane schon von weitem unterscheiden. In einer lauen Mittsommernacht
fliegen oft hunderte männliche Lamprohiza splendidula umher und ich habe mich oft gefragt wo den die dazugehörigen Weibchen stecken.
Mittlerweile glaube ich das zu wissen. Gleich bei mir vorm Gartentor habe ich auf einer Mauer ein Glühwürmchen Weibchen leuchten gesehen.
Ich bin schnell um die Ecke gegangen um meinen Photoapparat zu holen. Das hat keine zwei Minuten gedauert, aber in der Zwischenzeit
hat sich schon ein Männchen eingefunden und ehe ich das Stativ aufgebaut hatte, waren sie schon in einer Mauerritze verschwunden.
Dies bedeutet das das Zeitfenster für Beobachtungen nur sehr klein ist. Nur einmal hatte ich bisher Glück direkt eine Paarung zu beobachten.
Da war die Saison aber im Prinzip schon vorbei und ich habe nur noch die Nachzügler erwischt.
Die Larven der Glühwürmchen schlüpfen Ende August aus dem
Ei und beginnen Jagd auf Gehäuseschnecken (ihre Hauptnahrungsquelle)
zu machen. Nach der Überwinterung und insgesamt 5 Häutungen sind
sie ausgewachsen (2-2,5 cm) und verpuppen sich (Anfang Juni). Nach 8-11
Tagen Puppenruhe (meist in der zweiten Junihälfte) schlüpfen
schliesslich die erwachsenen Käfer, die keine Nahrung mehr zu sich
nehmen. Lampyris Weibchen konnte ich noch bis mitte September beobachten, einzelne auch schon anfang Mai.
Ob die allerdings noch einen Paarungspartner finden ist fraglich.
Larven gibt es eigenlich über die ganze Vegetationaperiose hinweg. Die Schwierigkeit ist es welche zu finden, da sie sehr verborgen
leben. Ich habe mich z. B. in einer stockdunklen Nacht in ein Wäldchen am Rande eines Baches gesetzt und tatsächlich eine Larve gefunden.
Die zwei kleinen Leuchtorgane auf dem 8. Abdominalsegment, die kontinuierlich ein schwaches Licht ausstrahlen, haben sie verraten.
Aber um das zu sehen, muss es wirklich dunkel sein. Eine weitere Larve ist mir am hellichten Tag über den Weg gelaufen. Die
habe ich eine Zeit lang in einem Terrarium gehalten und mit einer Schnirkelschnecke gefüttert.
Schon die ungelegten, noch im Käferweibchen befindlichen Eier sollen schwach leuchten, was ich allerdings auch noch nicht selbst gesehen habe.
Eine überraschende Entdeckung habe ich in Lindow im Norden von Brandenburg gemacht. Bei einer Nachtwanderung rund um den Wutzsee habe ich zahlreiche
Larven von L. noctiluca gesehen. In den dortigen Kiefernwäldern wimmelt es förmlich davon und sogar im Straßengraben gab es welche.
Das war einigermassen überraschend für mich, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Allerdings ist es dort noch wirklich dunkel
und selbst in einer sternenklaren Nacht sieht man die Hand vor Augen nicht.
Eine Glühwürmchenlarve kriecht auf dem Deckel meines Laptop umher.
In einem kleinen Terrarium frisst die Glühwürmchenlarve eine Schnirkelschnecke
Eine Glühwürmchenlarve attakiert eine Nacktschnecke. Die versucht zu fliehen und gibt jede Menge Schleim ab.
Die Schleimspur lockt eine zweite Glühwürmchenlarve an. Zusammen saugen sie die Schnecke aus, bis nach ca 24h nur noch eine ledrige
Hülle übrig ist.
Die Larven lassen sich leicht den entsprechenden Leuchtkäfren zuordnen da die Leuchtorgane schon vorgebildet sind und auch schon schwach leuchten.
Bei den obigen Bildern handelt es sich um Larven von Lampyris Noctiluca. Die Leuchtorgane befinden sich in den letzten Hinterleibssegmenten.
Die Larve zeigt auch eine eigenartige Methode der Fortbewegung, vorne krabbelt sie mit den Beinchen und hinten schiebt sie
mit dem Hinterleibssegment nach. Das letzte Segment muss auch eine Art Zange besitzen denn in gewisen Abständen krümmt sich die Larve zusammen und reinigt damit
Ihre Mundwerkzeuge, möglicherweise immer dann wenn sie vom Schneckenschleim verklebt sind. Dazu gibt es ein kurzes Video auf
Youtube
Glühwürmchen unterteilen sich vom Leuchtvermögen her in zwei Gruppen, solche die blinken und solche die kontinuierlich leuchten.
Die "Blinker" setzen ihr Licht bei der Partnersuche ein, wobei sich Männchen und Weibchen durch Lichtsignale verständigen.
bei den Blinkern können meist auch die weiblichen Tiere fliegen. Unsere einheimischen Arten sind "Glüher", d. h. sie senden ein
kontinuierliches Licht aus. Bei den Glühern können die Weibchen meist auch nicht fliegen. Welche Rolle das Licht bei der Partnersuche spielt
ist nicht sicher geklärt. Im Gegensatz zu den meisten Blinkern halten die Glüher auch nicht lange durch. Hier in der Mitte
Deutschlands beginnen sie so in der späten Dämmerung, gegen 22.30 Uhr und um Mitternacht ist schon wieder alles vorbei. Ich weiß nicht
ob es nur ein subjektiver Eindruck von mir ist, aber innerhalb dieser Zeit wird auch das Leuchten schon schwächer. Da die Weibchen
unserer Glühwümchen nicht fliegen können, ist ihr Aktionsradius nur sehr klein. Neue Lebensräume
können praktisch nur von den Larven erschlossen werden. Wenn sie an einer Stelle erst einmal verschwunden sind, ist es daher schwierig diesen
Lebensraum neu zu besiedeln. Genauere Untersuchungen diesbezüglich gibt es allerdings nicht. Hier währe es mal interessant
in Industriebrachen oder rekultivierten Tagebauflächen zu suchen ob es auch dort Glühwürmchen gibt, wo sie vorher definitiv nicht waren.
Auf jeden Fall sind sie noch weit verbreitet. Die Aktion
"Wo Tanzt das Glühwürmchen"
in Sachsen hat gezeigt, dass es zwar kaum noch richtige Massenvorkommen gibt, dass sie in der Fläche jedoch immer noch häufig vorkommen.
Trotz mancherlei Bemühungen bin ich mit dem Photographieren von Glühwürmchen nicht weiter gekommen. Ich habe mich deshalb
an eine erfahrene Hobbyphotographin gewandt. Dr. Erika Ruske hat die folgenden Aufnahmen für mich gemacht. Ich habe nur die
Glühwürmchen gefangen und die Lampe gehalten. Verwendet wurde eine Canon 350D und Weitwinkelobjektive mit 35 mm und 29 mm
in Retrostellung sowie ein Lupenobjektiv mit 25 mm Brennweite. Wegen der Mobilität der Tiere und des hohen Lichtbedarfes
der Umkehrobjektive wurde immer mit Blitzlicht aufgehellt. Die Bilder wurden nur in Bezug auf Helligkeit und Kontrast
leicht nachbearbeitet. Solche Aufnahmen kann man nicht mehr in der freien Natur machen, deshalb handelt es sich
hier um Studioaufnahmen. Die Glühwürmchen haben natürlich ihren Einsatz für die Wissenschaft überlebt und wurden gleich anschließend
dort wieder freigesetzt wo ich sie gefangen habe.
So sieht ein Männchen von Lamprohiza splendidula von der Oberseite aus. Man beachte den durchsichtigen Halsschild.
So sieht ein Männchen von Lamprohiza splendidula von der Unterseite aus. Man beachte die großen Augen und die durchsichtigen
Fenster der Leuchtorgane
Die Männchen von Lampyris noctiluca sind etwas größer, sehen aber durchaus ähnlich aus.
Lamyris noctiluca von der Unterseite, es fehlen die Leuchtorgane
Das ist das eigentliche Glühwürmchen, ein Weibchen von Lampyris noctiluca, wie man sieht schon eine alte Veteranin. Ein Beinchen
fehlt ganz und der Panzer hat auch schon etwas abbekommen.
Das selbe Weibchen von unten. Der Kopf besteht fast nur aus den Augen, Fresswerkzeuge gibt es nicht, dafür aber grosse Fenster
an den Leuchtorganen.
Deutschland ist, was die Glühwürmchen angeht, arm dran. Es gibt drei Arten von denen eine (Phosphaenus hermipterus), je nach Autor, überhaupt nicht
oder nur sehr schwach leuchtet. Hier spielt unsere Klimageschichte eine Rolle. Die 10000 Jahre seit der letzten Eiszeit haben
für eine vielfältige Besiedlung durch Tiere und Pflanzen einfach noch nicht ausgereicht.
Das ist kein Vergleich mit anderen Ländern, allen voran mit Japan in dem an die 300 Glühwürmchenarten leben. In Japan gibt es eine
ganze Kultur die sich um die Glühwürmchen rankt ("hotaru"). Es gibt mehrere Zentren in denen zur Glühwürmchenzeit richtige Events
mit tausenden Besuchern veranstaltet werden. Der Japanische Naturphotograph
Kei Nomiyama
hat traumhaft schöne Aufnahmen von japanischen Glühwürmchen in ihren natürlichen Lebensräumen gemacht. Auch in den USA und auf den Phillipinen gibt
es Massenvorkommen von Glühwürmchen die zahlreiche Touristen anlocken. Aber auch hier zeigen sich die Schattenseiten des Massentourismus,
Übernutzung, Lichtverschmutzung und Verlust von Lebensräumen. Naturschutzverbände und mitunter sogar Regierungen versuchen dem entgegenzuwirken.
Im US Great-Smokey- Mountains Nationalpark ist zur Glühwürmchenzeit das Befahren mit dem eigenen PKW nicht gestattet um die Lichtverschmutzung durch tausende
Autoscheinwerfer zu verhindern.
Jedes Jahr in der ersten Juliwoche ist der
World Firefly Day
Es gibt zahlreiche Aktionen rund um die Welt und jeder der Lust hat, ist aufgefordet mitzumachen.
Das dazugehörige
Poster gibt es zum Downloaden.
Literatur:
- Sara Lewis, Leuchten in der Stille, Lübbe Verlag, 2017, ISBN 978-3-431-03984-9
- John Tyler, The Glow-worm, Lakeside Printing Ltd., 2002, ISBN 0 9523526 1 3
- Therese Wilson, J. Woodland Hastings, Bioluminescence, Harvard University Press, 2013
- Nobuyoshi Ohba, Flash Communication Systems of Japanese Fireflies, INTEGR.COMP.BIOL., 44 (2004) 125-233
- Werner Pieper, Glühwürmchen, Der Grüne Zweig 277,
- H. Brandl, L.F.M.L. Ciscato, D. Weiß und S. Albrecht, Von der Naturkuriosität zur Hochtechnologie - Heimische Leuchtkäfer
im Biologieunterricht, Praxis der Naturwissenschaften-Biologie in der Schule, 6/60 (2011) 20-23
- Dr. Hans-Eckhard Gruner, Leuchtende Tiere, Die neue Brehm-Bücherei, A. Ziemsen Verlag, Wittenberg 1954
- Vadim. R. Viviani, Etelvinio J. Bechara, Bioluminescence and Biological Aspects of Brazilian Railroad-Worms,
Annals of the Entomol. Soc. of America 90 (1997) 390 - 398
- Ein japanisches Märchen über Glühwürmchen
- S. Schramm, D. Weiß, Biolumineszenz, Teil 1, S. Schramm, D. Weiß, Chem. Unserer Zeit 56/1, 2022, 2-15
- H. H. Schwalb, Beiträge zur Biologie der einheimischen Lampyriden, Zool. Jb.Syst. Bd.88, H4, S. 300-550
https://www.insekten-sachsen.de/Pages/TaxonomyBrowser.aspx?id=120513
https://www.firefly.org/