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4-Hydroxythiazole, eine Klasse von Superfluorophoren

(für Kevin, Eric, Roberto, Lorena und Stephanie)

Thiazole sind 5-Ring Heterocyclen, die Schwefel und Stickstoff enthalten. Thiazole haben die Heteroatome in 1,3-Position. Die analogen Heterocyclen mit 1,2-Position der Heteroatome sind die Isothiazole. Die Stammheterocyclen sind also entweder das 1,3-Thiazol I oder das 1,2-Isothiazol II. Thiazole sind in der Natur nicht sehr weit verbreitet. Sie kommen aber in einigen speziellen Naturstoffen, wie z. B. dem Luciferin III vor. Über Thiazole existiert eine umfangreiche Basisliteratur in der alle Aspekte der Thiazolchemie beleuchtet werden [1]. Wirklich alle Aspekte? Nein! denn es existiert ein kleiner Bereich zu dem keiner der Autoren jemals etwas gesagt hat. Dieser Bereich ist die oft überraschende Farbigkeit und besonders die Fluoreszenz [2]. Gerade aber die Fluoreszenz ist oft so intensiv dass man sie bei Tageslicht sehen kann. Waren die Leute denn blind oder die Labore so muffig und staubig dass nie ein Sonnenstrahl hineingefallen ist?
Thiazole, Grundstruktur und natürliche Vorkommen
Uns interessieren vor Allem die 4-Hydroxythiazole vom Typ IV die in Position 2 und 5 noch weitere Substituenden tragen. Sie lassen sich durch eine Synthese nach Hantzsch [3] aus a-Halogencarbonsäuren und Thioamiden (Weg 1) oder aus Nitrilen und a-Mercaptosäuren herstellen (Weg 2). Welchen Weg man letztlich bestreitet, hängt von der Zugänglichkeit der Chemikalien ab. Der Rest R1 sollte aromatisch sein, zumindest aber kein aliphatisches C Atom enthalten.
Thiazole, generelle Synthesemöglichkeiten
Schon die 4-Hydroxythiazole zeigen eine gewisse Fluoreszenz, die natürlich von den Resten R1 und R2 abhängt. Außerdem verhalten sie sich wie ganz normale Phenole, d. H. sie lassen sich durch Basen leicht deprotonieren. Dies hat eine starke bathochrome Verschiebung sowohl des Absorptionsmaximums als auch der Fluoreszenz zur Folge. Die tieffarbigen Thiazolat-Anionen lassen sich z. B. durch eine Williamson Ethersyntehse in die entsprechenden Ether überführen. Diese Thiazol-Ether zeigen eine wirklich brilliante Fluoreszenz, oft mit Quantenausbeuten über 90 % [4].
Thiazole, Deprotonierung und Etherbildung Thiazole, Emission während der Williamson Ethersynthese

Hier sieht man sehr schön wie sich die Fluoreszenz der Thiazollösung während einer chemischen Reaktion verändert. Das sind Reaktionen die wirklich Spass machen!
Besonders gut lassen sich 4-Hydroxythiazole mit R1 = Pyridyl herstellen. Das 2-Cyanopyridin ist ein kostengünstiger Ausgansstoff der sich leicht verarbeiten lässt. Ausserdem zeigen die davon abgeleiteten Thiazole eine oft besonders intensive Fluoreszenz. Die Bildserie oben zeigt die komplette Sequenz einer Williamson Ethersynthese mit Methyljodid, durchgeführt in einer Fluoreszenzküvette unter UV - Licht (366 nm). Links und rechts sieht man die Fluoreszenz des Ausgangsstoffes und des Produktes, in der Mitte die Fluoreszenz des Anions. Die Zeitdauer des Versuches beträgt nur wenige Minuten. [5]

Besonders Auffällig ist, dass es bei vielen Hydroxythiazolen eine starke Abhängigkeit der Absorption von der Polarität des Lösungsmittels gibt. Solche Farbstoffe wurden von C. Reichhardt untersucht und der Begriff der Solvatochromie geprägt [6]. Einige 1,3-Thiazole zeigen diese Eigenschaft aber in extremen Maße. Unser Kollege Prof. E. Bastos von der USP Sau Paulo nennt die Moleküle daher Omnichrome Verbindungen. Auch der Starke Unterschied der Emission zwischen Etherform und Phenolatform der Thiazole lässt sich analytisch nutzen. Man kann z. B. die blau fluoreszierenden Silylether herstellen. Setzt man diese mit Fluoridionen um, so werden die rot oder orange fluoreszierenden Anionen gebildet.
Thiazole, Deprotonierung und Etherbildung
Der Vorteil des Systems besteht einerseits darin dass man bei zwei Wellenlängen messen kann. Dem Abfall der blauen Emission steht der Aufbau der orange/roten Emission gegenüber. Andererseits ist eine Fluoreszenzmesung deutlich sensitiver als eine Absorptionsmessung. Wir konnten so bis zu 10-7 mol/l Fluorid in Lösung sicher bestimmen [7].

Schaut man sich die Moleküle V - VIII genauer an, so erkennt man dass es sich hier um Diazadien - Liganden handelt. Zusammen mit der starken Fluoreszenz bietet sich die Möglichkeit Metallkomplexe mit Antennenfunktion herzustellen. Exemplarisch sind die Rutheniumkomplexe der Verbindungen V und VI hergestellt worden, die eine schöne rote Fluoreszenz zeigen[8].
Thiazole als Liganden für Metallkomplexe

Kuriositäten, Merkwürdigkeiten und Hightec

eine Chimäre aus Thiazol und Coumarin ein dimeres Thizol mit ausgeprägter Farbigkeit und Fluoreszenz Dieses bis-Thiazol ist das Chamäleon unter den organischen Molekülen. Es wechselt die Emissionsfarbe in nullkommanix.
ein Co-Polymer aus Thiazol und Styrol Man kann Thiazole auch mit einer polymerisationsfähigen Seitengruppe ausstatten ohne dass die Fluoreszenz beeiträchtigt wird. Das Copolymer mit Styrol lässt sich leicht herstellen und zu schönen fluoreszierenden Fäden verarbeiten.
ein kleiner Laborunfall Hier hat es einen kleinen Unfall gegeben. Beim Versuch ein sulfoniertes Thiazol mit Kaliumcarbonat zu neutralisieren hat das Ganze übergeschäumt und ist auf den Laborplatz gelaufen. Rote Fluoreszenz = protoniertes Thiazol, gelbe Fluorezenz = freie Sulfonsäure, türkis = hier lag wol noch etwas Carbonat rum, das ist die Fluoreszenz des Anions
Versuch der Mischung von drei Emissionsfarben Manche Thiazole fluoreszieren auch als Feststoffe sehr schön.

Am Schluß muss dann alles wieder aufgewaschen werden. Hier lohnt sich mal ein Blick mit der UV - Lampe in die Spüllösung. Da kann man sein blaues Wunder erleben.
Blick in das KOH/Isopropanolbad in unserem Labor

Literatur

  1. T. Gilchrist, Heterocyclenchemie, VCH Verlag, J. Liebscher, Methoden Org. Chem. (Houben-Weyl), 4th ed.; Georg Thieme: Stuttgart-New York, 1993; Vol. E8b. 1
  2. U. W. Grummt, D. Weiß, E. Birckner, R. Beckert, Thiazolopyridines - Highly Luminescent Heterocyclic Compounds J. Phys. Chem. A,111 (2007) 1104-1110
  3. Hantzsch, A. Liebigs Ann. Chem. 1889, 250, 257-279
  4. K. Stippich, D. Weiss, A. Guether, H. Görls, R. Beckert, Novel luminescent dyes and ligands based on 4-hydroxythiazole J. Sulphur Chemistry 30 (2009) 109-118, E. Täuscher, D. Weiß, R. Beckert, H. Görls Synthesis and Charakterisation of new 4-Hydroxy-1,3-thiazoles, Synthesis, 10 (2010) 1603-160
  5. Eric Täuscher, Dieter Weiß, Rainer Beckert, Jürgen Fabian, Aline Assumpsao and Helmar Görls, Classical Heterocycles with Surprising Properties: The 4-Hydroxy-1,3-thiazoles, Tetrahedron Letters 52 (2011) 2292-2294
  6. C. Reichardt, Solvatochromic Dyes as Solvent Polarity Indicators. Chemical Reviews 1994, 94, 2319-2358
  7. Lorena K. Calderón-Ortiz, Eric Täuscher, Erick Leite Bastos, Helmar Görls, Dieter Weiß, and Rainer Beckert; Hydroxythiazole-Based Fluorescent Probes for Fluoride Ion Detection; Eur. J. Org. Chem. 2012, 2535-2541
  8. Roberto Menzel, Eric Täuscher, Dieter Weiß, Rainer Beckert, and Helmar Görls The Combination of 4-Hydroxythiazoles with Azaheterocycles: Efficient Bidentate Ligands for Novel Ruthenium Complexes, Z. Anorg. Allg. Chem. 636 (2010) 1380-1385